Historisches Kurhaus Juist (1898 – 1998)
Ein kurzer Rückblick auf die Seebad- und Hotelbaugeschichte
Im Jahre 1840 wird Juist offiziell als Seebad anerkannt. Die vormals vom Fischfang lebende, verarmte Inselbevölkerung erhofft sich davon wirtschaftlichen Aufschwung nach den Vorbildern der touristischen Erschließung anderer Seebäder – Bad Doberan an der Ostseeküste (1793), vor allem aber des immer vor Augen liegenden Nachbarn Norderney (1797). Der erwünschte Aufschwung bleibt jedoch vorerst aus, was unter anderem mit der schlechten Verkehrsanbindung an die Insel zu tun hat.
Mit der Eröffnung und Anerkennung der Seebäder, den sich zunehmend verbessernden Verkehrsanbindungen und den medizinwissenschaftlichen Erkenntnissen der Balneologie (Meerwasserheilkunde), setzte im ausgehenden 19. Jahrhundert ein verstärktes Reiseaufkommen in die Seebäder ein.
Das „Historische Kurhaus“ ist Zeugnis und Denkmal der Epoche eines erstarkenden, nach Selbstpräsentation strebenden Bürgertums, das sich anschickte, ins Bad zu reisen. Dem Vorbild des Adels nacheifernd, der in Literatur und Malerei schon seit langem umschwärmten Natursehnsucht frönend und im Zuge der Industrialisierung zu einigem Wohlhaben gelangt, gönnte sich diese Gesellschaft für kurze oder auch längere Zeit eine Flucht aus dem Alltagsleben.
Dem Wunsch der Seebadgäste nach repräsentativer Unterbringung, Therapie und Amusement, Abgeschiedenheit und Exklusivität entsprachen die Hotelbauten, die zu diesem Zweck errichtet wurden.
Die Architektur
Eine Architektur der Luxusklasse
Im Gegensatz zu heute befanden sich im Erdgeschoß des östlichen Logierflügels damals Läden, denen eine breite offene Wandelhalle vorgelagert war. Das Zwischengeschoß enthielt die Lagerräume der Ladeninhaber. In den beiden oberen Geschossen befanden sich 30 geräumige Logierzimmer, wobei jedem Zimmer des ersten Obergeschosses der Austritt auf das als Terrasse ausgebaute Dach der Wandelhalle gewährt war.
An der Nordfassade des Hauptflügels fand sich bereits damals der repräsentative Haupteingang. Über die Freitreppe erreichte man damals wie heute das Vestibül mit Rezeption im überhöhten Erdgeschoß. Von hier hatten die Hotelgäste Zugang zu den Zimmern der oberen Etagen, aber auch zu den Gesellschaftsräumen – dem „Weißen Saal“, Musik-, Kaffee- und Spielzimmer -, die aber auch Nicht-Hotelgästen bei allen gesellschaftlichen Ereignissen, zur Verfügung standen. Diese öffentlichen Räumlichkeiten waren entsprechend ihrem Repräsentationsgrad besonders reichhaltig mit aufwendiger Stuckornamentik verziert.
Anstelle der heutigen runden Glaskuppel, die eine Lounge mit dem wohl schönsten Blick rund über die Insel bietet, befand sich früher ein einfaches gläsernes Satteldach, das auch damals schon das Vestibül mit Licht versorgte.
Die jeweils drei sehr geräumigen Salons im ersten und zweiten Geschoss des Hauptflügels waren als abgeschlossene Familienwohnungen gestaltet. Der im ersten Geschoss zur Nordseite hin gelegenen Wohnung – heute der Salon „König von Sachsen“ – kam ein besonders hoher Rang zu; jener hatte einen separaten, direkt über dem Eingang gelegenen Balkon mit exquisitem Meerblick und war offensichtlich dem Adel vorbehalten. Auf alten Plänen wird sie dementsprechend als „Fürstenwohnung“ bezeichnet.
Die Salons verfügten ebenso wie der „Weiße Saal“ und die anderen Gesellschaftsräume von Anfang an über Dampfheizung und elektrisches Licht.
Ein Bau im Wechsel der Jahreszeiten
Schon bald nach der Eröffnung im Juli 1898 wird das Kurhaus in Teilen umgebaut
Bereits um die Jahrhundertwende, spätestens wohl nach der Orkanflut im Jahr 1906, wurden sowohl die offene Wandelhalle mit dem dahinter gelegenen „Weißen Saal“ zur Seeseite hin als auch die Südterrasse, die ebenfalls direkt an den Saal grenzte, als dem Nordseeklima nicht gewachsene Baustrukturen geschlossen.
Heute gehört die ehemalige nördliche Wandelhalle zum „Weißen Saal“ und damit zum Restaurantbereich.
Die Wandelhalle vor den Läden des östlichen Logierflügels wurde, vermutlich, da etwas geschützter gelegen, erst in den 20er Jahren geschlossen.
Der Außenbau ist insgesamt wenig verändert worden. Lediglich der Balkon über dem Eingang sowie Fenstergiebel existieren heute nicht mehr. Deutlich erkennbar auf alten Postkarten: die vier Figuren auf dem Hauptflügel und die Amphoren, die das Dach schmückten. Möglicherweise handelte es sich um Figuren aus der griechischen Mythologie (Titronen und Nereiden sowie Hygieia, die Göttin der Heilkunst), ein Programm, das bei vergleichbaren Bauten durchaus üblich war.
Vermutlich sind die Figuren in den späten Kriegsjahren zerstört worden. Ein Schadensbericht des damaligen Kurhauseigners und Betreibers Eduard Oldewurtel – er leitete das Haus seit 1906 – aus dem Jahr 1945 spricht dafür.
Aus der neueren Geschichte
Im August 1954 überschreibt Eduard Oldewurtel das Eigentum von Kurhaus und Strandhotel sowie Logier- und Verkaufshausanbau mit Wandelhalle seinem Sohn Hans Günther Oldewurtel. Dieser verpachtet es mit Wirkung ab 1. Januar 1965 für 20 Jahre an die Europäische Gesellschaft für Kur- und Erholungshäuser e.V.
Im Januar 1976 jedoch veräußert H.G. Oldewurtel den Besitz an Herrn Werner Kley von der Kley Gastronomie GmbH & Co. in Hamm, der mit einem Freundeskreis die Juister Kommanditgesellschaft gründet.
Im selben Jahr wird die gesamte Elektroinstallation erneuert, ebenso die Heizungsanlage. In die Zimmer werden Sanitärzellen mit Dusche, WC und Waschbecken eingebaut. Die hohen Decken werden, eine der großen 70er Jahre-Sünden, mit Paneelbrettern herabgezogen.
Neben dem Hauptrestaurant werden weitere Gaststättenbetriebe eingebaut. Mit fest verklebbarem Textilfußboden werden Fliesen und Hobeldielen ausgelegt – eine weitere Sünde, da durch die Festverklebung die originalen Bodenbeläge bis zur Unbrauchbarkeit beschädigt wurden.
Im Winter 1977/78 plant und realisiert die Kurhaus KG ein überdachtes Schwimmbad mit entsprechenden Räumen und Sauna auf der Südseite des Saaltraktes, wo sich die ehemals offene Holzveranda befunden hatte.
Im Februar 1983 bittet die Juister Kurhaus KG das Institut für Denkmalpflege (IfD) Oldenburg dringend um eine Stellungnahme zu anstehenden Renovierungs- und Umbauarbeiten. Der Hotelbetrieb war offensichtlich zu dieser Zeit eingestellt, denn in dem Schreiben an das IfD ist die Dringlichkeit der Stellungnahme mit der für Mitte März 1983 geplanten Neueröffnung des Hotels begründet.
1984 werden der „Weiße Saal“ und die Fassade unter Denkmalschutz gestellt. Es erfolgen jedoch keine Sanierungsmaßnahmen zu diesem Zeitpunkt. Noch im Jahr 1987 weist die Kurhaus KG darauf hin, dass die dringend notwendige Renovierung der Fassade wegen fehlender Finanzmittel nicht durchführbar sei. Einmal mehr machen Zahlungsschwierigkeiten den Verkauf des Kurhauses notwendig.
Am 9. November 1989 wird die Zwangsversteigerung der „Hotelanlage Juister Kurhaus mit 104 Appartements“ anberaumt.
Am 17. Januar 1990 geht das gesamte Gebäude in den Besitz des Kerpener Vermögensverwalters Herbert Hillebrand über.
Trotz diverser Ideen zur Wiedernutzbarmachung geschieht im und am Kurhaus, das zunehmend verfällt, gar nichts. Nach vier weiteren Jahren befindet sich das Haus in einem so desolaten Zustand, dass es von Insulanern und Gästen zu Recht als „Schandfleck der Insel“ bezeichnet wird.
1995 entscheidet sich die Commerzbank zur Inangriffnahme des Projektes und beginnt mit der Rekonstruktion zur Wiederinbetriebnahme des Kurhauses als Hotel mit 75 Suiten und Residence mit zu veräußernden Eigentum-Appartements. Damit stehen der Bank als auch einer Reihe von Fachleuten zweieinhalb aufwendige und aufregende Jahre bevor. Dem hohen kulturellen und denkmalpflegerischen Anspruch des Bauprojekts werden alle Beteiligten mit viel Idealismus gerecht.
2003 übernahm eine kleine Gruppe